Alles fing an als ich 6 Jahre alt war und in Brasilien lebte. Mein Vater war tot und meine Mutter betrank sich jeden Abend, so wie viele Eltern hier im Land.

Reich waren wir nicht, dafür blieb die Schule für mich immer ein Traum !!!

Das war aber nur halb so schlimm, denn ich hatte ja Freunde mit denen ich herumalberte oder Fußball spielte. Zum Hungerstillen gingen wir auch manchmal auf den Markt klauen, oder fischten in Mülleimer herum !

Wenn ich dann nach Hause kam, schlug mich meine Mutter. Als wäre das noch nicht schlimm genug gewesen, gab sie unser letztes Geld auch noch für Alkohol aus! Aber so, unter Freunden hatten wir meistens Spaß. Es gab aber auch manchmal Streitereien wo es zu blutigen Wunden kam!!!

Als ich eines Tages um 8 Uhr nach Hause kam und einen Blick in die Küche warf, stockte mir der Atem. Auf dem Tisch lag ein Schlüssel !!!

Ohne zu überlegen nahm ich mir den Schlüssel und betrachtete ihn. Das konnte nur der Schlüssel des Speichers sein! Mein Herz blieb stehen. Jeden Moment konnte meine Mutter kommen. Also lief ich schnell die Treppen hinauf bis ich vor der Tür stand!!! ( Ich war noch nie auf unserm Speicher gewesen, aber ich wusste dass es ihn gab.)

Hastig steckte ich den Schlüssel ins Schlüsselloch und er passte!!! Leise ging ich hinein. Überall waren Insektenleichen und Fledermäuse hingen im Gebälk. Spinnen krochen über den Boden und es war dunkel. In der Mitte stand ein Schrank der glänzte. Komisch dachte ich, dass der noch nicht morsch war. Plötzlich schreckte ich zurück, denn eine Fledermaus flog mir über den Kopf. Als ich mir den Insektenfriedhof zu Ende angesehen hatte, hörte ich auf einmal meine Mutter die herumbrüllte. Da bekam ich Angst. Was sollte ich machen? Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Der Schweiß lief mir über den Rücken, ich wünschte mir in diesem Moment tot zu sein. Ich musste mich verstecken ! Aber wo? Ich hatte nicht mehr viel Zeit. Sie konnte jeden Moment hier sein! Da fiel mein Blick wieder auf den Schrank. Schnell lief ich hin, öffnete ihn und sprang hinein! Ich schloss schnell meine Augen, denn ich wollte nicht erleben wie meine Mutter mich im Schrank entdeckte und mich zu Tode schlug!!!

Plötzlich hörte ich eine Stimme flüstern: "Hallo, ich bin es, der Schrank! " Ich zitterte wie verrückt. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, denn deine Mutter sieht dich hier nicht! Ich bin nur sichtbar für Kinder!" Zuerst einen toten Vater, dann eine betrunkene Mutter und jetzt auch noch einen sprechenden Schrank, nein, das hielt ich nicht aus! Ich wollte schon aus dem Schrank steigen, doch dann fing er wieder an: " Nein, geh nicht, bitte!!! Ich hatte schon so lange keine Gesellschaft mehr und außerdem sterbe ich in sieben Tagen. Du bist meine letzte Chance!"

" Was für eine letzte Chance?" traute ich mich zu sagen.

" Na, wie du siehst, bin ich kein normaler Schrank sondern der Schrank des Friedens!"

"Und das heißt?", fragte ich.

" Na, dass du nur einen kleinen Test bestehen musst und dann passiert ein Wunder!!! Die Aufgabe geht so: Deine Mutter und du, ihr müsst euch in mich hinein setzen, die Schranktür zumachen und dann fallt ihr in ein Paradies! Doch pass auf, das ist nicht einfach, denn du weißt, mich sehen nur Kinder!"

" Ist das alles?", fragte ich.

Doch der Schrank antwortete nicht mehr.

Ich stieg leise hinaus und hörte auch schon dass das Brüllen aufgehört hatte. Vorsichtig zog ich die Speichertür hinter mir zu und ging in mein Zimmer. Ich überlegte noch lange ob ich das glauben sollte was mir jetzt gerade geschehen war, doch ehe ich eine Antwort fand war ich eingeschlafen!!!

Es vergingen sechs Tage. Ich war mir immer noch nicht sicher ob ich es versuchen sollte, doch dann dachte ich: Schaden kann es bestimmt nicht, probieren geht über studieren ! Doch wie mache ich es? Das war noch eine bessere Frage ! Als ich dann ein bisschen überlegt hatte, erinnerte ich mich wieder an den Satz des Schrankes: " Und außerdem sterbe ich nach sieben Tagen!!!" Ich wusste nicht mehr weiter. Mein Gehirn hatte diese Woche so viel durchgemacht, dass ich am Ende war mit meinen Gedanken.

Doch als ich um 7 Uhr nach Hause kam, saß meine Mutter am Tisch und meckerte: "Ich habe keinen Wein und keinen Whisky mehr" Dann heulte sie: "Das ist alles deine Schuld! Wo ist der Rest der gestern noch im Schrank stand ?", und sie kam auf mich zu. Wie aus meinem Mund gegossen, sagte ich: "Auf dem Speicher!" Sie rannte auf den Speicher ohne zu überlegen ! Das war meine Gelegenheit !!!
"Wo ist er denn?" fragte sie suchend.

"Hier!" sagte ich. Sie ging weiter Richtung Schrank, ich öffnete die Tür, stieß sie hinein und setzte mich zu ihr.

Dann schloss ich die Tür und wir fielen durch ein dunkles Loch............

Plötzlich saßen wir lachend auf einer Blumenwiese : Meine Mutter, mein Vater und ich !!!!!!!!!!!!!

Joëlle (April 2002)