KEINE FESTE WOHNUNG

 

 Ein Bericht aus New York:

 

Die achtjährige Tamara wohnt in einem Hotel. Nicht, weil sie reich ist, sondern weil sie arm ist. Tamaras Familie wohnt in einem winzigen Zimmer. Wenn man den Vorhang zurückschiebt, sieht man eine hässliche Hausmauer aus Backsteinen. Ins Hotelzimmer scheint nie die Sonne hinein, weil rundherum hohe Wolkenkratzer sind, die hohe Schatten werfen.

Tamaras Vater ist seit langem arbeitslos. Jahrelang war er nicht zu Haus. Vielleicht, weil er sich schämte, dass er kein Geld nach Hause bringen konnte. Tamaras Vater hoffte irgendwo anders eine Arbeit zu finden. Tamaras Mutter bekam vom Sozialamt Geld, aber das war nicht viel.

Als Tamaras Vater nicht mehr da war, konnte Tamaras Familie ein paar Monate lang die Miete nicht bezahlen. Da warf der Hausbesitzer sie aus der Wohnung.

Sie haben als einzige Möbel drei Betten, denn für Stühle und einen richtigen Esstisch ist kein Platz da. Sie haben auch noch einen Kühlschrank, der an der Wand steht und daneben einen schmalen Tisch mit einer kleinen Kochstelle

Der winzige Fernseher ist kaputt, das Bild ist verzerrt und der Ton so schlecht, dass man kein Wort versteht. Trotzdem ist er jeden Tag an. In dem Hotel wo Tamara wohnt sind noch viele andere Familien wohnungslos.

Aber Tamara hat keine Freunde und Freundinnen.

Wo soll sie denn auch welche finden, wenn sie im Hotel nicht herumlaufen darf; und wenn die Familien immer umziehen müssen und die Kinder nicht in der gleichen Schule bleiben?

Tamara wohnt nicht weit weg von der Schule. Sie kann länger schlafen als andere Kinder, die im Hotel wohnen.

Einige Kinder müssen nämlich schon um fünf aufstehen, da sie in einem anderen Stadtteil zur Schule gehen.

Jeden zweiten Samstag kommen die Freunde von „Impact“. Darauf freut Tamara sich jedes Mal. Es sind Erwachsene, Studenten und Angestellte, die sich dann um die Hotelkinder kümmern, da ihre Eltern kaum Zeit und Kraft haben. Die Suche nach Arbeit und einer Wohnung beschäftigt sie zu sehr.

An diesem Samstag geht Tamara mit Edith in dem Zoo. Sie erzählt Edith, dass sie sich auf die Geburt ihres neuen Geschwisterchens freut und später Säuglingsschwester werden will. Sie meint, ein richtiges Baby sei doch viel besser als jede Puppe.

Als Edith Tamara zwei Wochen später im Hotel abholen will, wohnen sie nicht mehr da. Edith weiß nicht, ob sie eine Wohnung gefunden haben, oder in ein anderes Hotel gezogen sind.  

Spick 96 - Dezember 1989

 

 

 

 

 

 

 

Vanessa (Februar 2005)